Kurzreportage
Vertiefung eines Themas durch einen bebilderten Artikel
Die Kurzreportage
Bei der Kurzreportage geht es um einen Fotobericht, der einen begrenzten Zeitraum umfaßt. Das kann ein Event sein, irgendein Thema, was einen interessiert und was eventuell mit der Krise zu tun hat, Ein Konzert, ein Ausflug. Es geht darum, sich intensiv mit einem Thema zu beschäftigen, es eventuell humorvoll aufzubereiten. Es soll einem Spaß machen und einen motivieren, eine Sache einmal anders anzugehen als üblich. Dabei können die Fotos diesen eigenen Blick verdeutlichen.
Allgemein sagt man, dass eine Reportage neutral gehalten sein soll. Wenn man aber nicht gerade für eine Zeitung arbeitet finde ich, dass es durchaus den eigenen Blickwinkel auf die Sache wiedegeben darf.
Nicht immer Diskussion, fremde Berichte, sondern etwas eigenes, individuelles.
Oft kommen überraschende Ergebnisse dabei heraus. Schön ist natürlich, wenn es auch noch gute Fotos zu sehen gibt. Bei meinem Thema gestaltete sich letzteres etwas schwierig, weil ich die Situation komplett überschätzt hatte. Ich hatte zwar meine Kamera dabei, es war mir aber in den meisten Situationen gar nicht möglich, sie zu nutzen, einfach, weil es zu eng war. So habe ich überwiegend mit meinem Samsung Note 9 fotografiert und gefilmt.
Es geht um das Endergebnis. Dieser Tag, das Ende des 9-Euro-Tickets wird Geschichte sein. Es war Teil einer Krise und dieser Tag hatte seine eigenen chaotischen und humoristischen Aspekte. Ich bin froh, dass ich ihn festgehalten habe. (obwohl ich morgens noch dachte, es sei kompletter Schwachsinn, diese Aktion zu starten)
Wenn man schon nicht von einer Zeitung beauftragt wird, etwas zu dokumentieren, dann beauftragt man sich eben selbst. Ich finde, es macht erstens viel Spaß eine Aufgabe komplett durchzuführen und es hinterlässt ein befriedigendes Gefühl, etwas geleistet zu haben. Und wer weiß, vielleicht ist nachher doch irgendwer daran interessiert. Kommt ganz auf die Themenwahl an.
Eine solche Reportage hat den Vorteil, dass man dicht am Thema bleibt über einen längeren Zeitraum. Erst einmal während der Zeit der Reportage und dann auch noch während der Zeit der Aufbereitung.
Es gibt heute so viele Möglichkeiten eine solche Arbeit zu veröffentlichen, bei Facebook, Instagram, als Fotobuch oder Website. Meines Erachtens nach setzt man sich so noch einmal ganz anders mit der Thematik auseinander, als wenn man nur Einzelbilder macht. Man kann sich während einer Reportage mit anderen Betroffenen unterhalten und auch so neue Sichtweisen kennenlernen, die einem so noch nicht gekommen waren.
Hilfreiche Tipps:
https://www.fototv.de/fotomotiv/reportagefotografie
https://www.erichpueschel.de/?p=716
https://designbote.com/so-gelingt-das-fotografieren-mit-dem-smartphone/
2 Beispiele
Ursprünglich hatte ich nur ein Beispiel geplant. Dieses letzte Wochenende mit dem 9-Euro-Ticket.
Ich wollte das Chaos festhalten. Als ich aber kein halbes Jahr später schon wieder ein Chaos mit der Deutschen Bahn erlebte, habe ich noch einen 2. Bericht gemacht. Viel Spaß beim Lesen.
Wer nicht so gerne am Bildschirm liest, der kann sich die beiden Berichte auch als PDF herunterladen.
Ein schöner Sonntagmorgen, 9:30 Uhr. Während viele gerade aufstehen, ein leckeres Sonntagsfrühstück vorbereiten, die Sendung mit der Maus gucken und gemütlich ihren Kaffee schlürfen macht sich der Rest von Deutschland auf den Weg.
Das letzte 9-Euro-Ticket Wochenende ruft – das muss man nutzen, ein letztes Mal.
Und so stürzen sie sich in die Bahnhöfe, wo man auf dem Bahnsteig kaum noch stehen kann. Dagegen gähnende Leere auf dem ICE-Bahnsteig.
Ich stürze mich mit ins Getümmel, denn ich will nach
a. Wiesbaden zu einer Feier und
b. dieses 9-Euro-Ereignis dokumentieren.
Man bereitet so etwas vor. Unvorbereitet geht gar nicht, dann strandet man schon auf der ersten Teilstrecke.
Also, man hat die DB-App und gibt ein, wo man hin will. Nicht vergessen, das Kreuzchen bei „nur Nahverkehr“ zu setzen. Dann sucht die App die Verbindung und gibt an, wie oft man wo umsteigen muss.
Als Newbee denke ich mir, Mensch läuft ja. Da steht:
nach Koblenz, dort 10 Minuten Zeit, um das Gleis zu wechseln und dann in den Zug nach Wiesbaden. Sollte kein Problem sein, denk ich und erinnere mich an eine Bahnfahrt mit 3 bis 4 mal umsteigen von Berlin nach Köln vor Jahren. War doch total easy.
Ja, aber da gab es ja auch noch kein 9-Euro-Ticket.
Der Zug hat gleich in Köln Verspätung, meint aber laut Bahn-App, dass er das wieder aufholen könne. Hahaha.
Wir stehen im Zug. Mühsam versucht man einen freien Platz an den Festhalteschlaufen zu bekommen.
Alle Notklappsitze sind besetzt. Smartphones gezückt um die neuesten Umleitungen zu sehen, eine Frau häkelt, Teenies zappen auf ihren Handys herum, eine Frau schläft in seltsam gekrümmter Haltung. Eine ältere Dame stürzt beim Anfahren des Zuges einem etwa 10jährigen Mädel auf dem Klappsitz vor die Füße. Es schiebt seine Tasche weg, vermutlich, damit die alte Dame mehr Platz zum Liegen hat. Steht aber nicht auf um die Frau sitzen zu lassen. Plötzlich kommt ein älterer Herr und weist eine Mutter, die mit drei Kindern Klappsitze belegt, darauf hin, dass sie auf einem Behindertenplatz sitzt und der würde ihm zustehen, weil er einen Ausweis habe. Die Frau hat keinen, will aber mit ihm diskutieren. Er gewinnt.
An jeder Station verlieren wir Minuten. „Bitte machen Sie den Türbereich frei, ansonsten schließen die Türen nicht und wir können nicht losfahren“ (Ansage an jeder Station) Meine geplante Umsteigezeit in Koblenz schmilzt dahin. Von ursprünglich 10 Minuten auf 7, auf 3, auf Null, auf Anschlusszug voraussichtlich nicht erreichbar.
Eine Mitreisende weist mich darauf hin, dass einem die App dann Alternativen vorschlägt. In der Tat, wie praktisch. Kurz vor Koblenz sagt mir die App „Sie haben drei Minuten um zum Bahnsteig 1 zu kommen und den Zug nach Mainz zu erreichen - was allerdings zwei weitere Umstiege erforderlich macht. Egal. Wir sollen auf Gleis 2 ankommen. Ich denke, da muss ich ja nur auf die andere Seite des Bahnsteiges wechseln, das kann man ja in drei Minuten schaffen.
In Koblenz allerdings nicht. Treppe runterrasen und normalerweise die nächste wieder hoch. Schockschwerenot, so etwas hab ich noch nie gesehen. Ich stehe vor zwei Rolltreppen. Oben war der Zug schon angesagt und eingefahren. Auf der Rolltreppe tobt eine Menschenmasse. Sowohl nach oben, als auch nach unten. Die, die aussteigen und nun, wie ich zu ihrem Anschluss wollen nach unten, alle die diesen Zug als Anschluss haben nach oben.
Ich entscheide mich um. In einer Stunde kommt ein anderer Zug nach Wiesbaden auf einem anderen Gleis. Dann eben eine Stunde später. Ich drehe um und versuche wieder zurück zu kommen. Vor mir geht eine gehbehinderte Frau, die immer wieder an die Seite gedrängt wird, weil sie anderen zu langsam ist und sie überholen wollen. Schließlich wird sie in einen Fotoautomaten gedrängt und kommt da mit ihren Krücken nicht mehr heraus. Ich sage ihr, dass ich jetzt den Weg nach hinten blockieren würde und sie solle mal da herauskommen. Ich mache mich so breit wie es eben geht und sie hat etwas freie Bahn.
Leider ist es nicht möglich dieses unvorstellbare Chaos zu fotografieren, denn in dem Gedränge komme ich weder an die Kamera noch an mein Handy.
Ich begebe mich schließlich in aller Seelenruhe auf Gleis 8. Ein gähnend leerer Bahnsteig. Herrlich. Ich setze mich am Ende in die Sonne und rauche eine Zigarette, trinke Wasser, beobachte aus der Ferne das Chaos auf einem anderen Bahnsteig und mache ein paar Fotos.
Zwischendurch immer die Ansagen „Der RE 8 nach Rommerskirchen fällt heute wegen Personalmangel aus“ – Massen strömen, geleitet von den Alternativen der App auf einen anderen Bahnsteig. „Der RE 5 hat heute 35 Minuten Verspätung. Es tut uns leid, Sie können aber auf Gleis 8 einen Alternativzug über Mainz nach Frankfurt bekommen.“ Neue Völkerwanderung.
Endlich kommt mein Zug und ich kann es kaum glauben, es gibt einen Sitzplatz! Fasziniert betrachte ich das schöne Rheintal, das am Fenster vorbeifliegt. Ein Kind schreit gottserbärmlich fast eine Stunde lang. Ich kann es verstehen.
13.25 Uhr, ich erreiche Wiesbaden. Ich nehme einen Bus zum Markt und gelange zum Museum.
Hat sich gelohnt, die Abschlussfeier ist sehr schön, bei phantastischem Wetter im Innenhof des Frauenmuseums. Es gibt Sekt und Reden und nette Menschen.
Um 17.30 Uhr muss ich los. Bus erreichen, zum Bahnhof. 18.33 Uhr soll mein Zug gehen. Nach Mainz diesmal.
Auf Gleis 8 steht aber noch eine S-Bahn nach Mainz, die eigentlich schon weg sein soll, aber aus irgendeinem Grund Verspätung hat. Ich springe hinein.
Meine App sagt mir, ich könne dort einen Zug nach Koblenz bekommen, der eigentlich auch schon weg sein sollte, aber 20 Minuten Verspätung hat. Umsteigezeit sieben Minuten. Sollte gehen. In Mainz wechsele ich das Gleis. Der Zug hat nun schon 25 Minuten Verspätung. Ich warte.
Auf dem Nebengleis steht ein Zug auf dem steht, er solle nach Köln Deutz fahren. Der stand in keiner App. Wieso eigentlich? Kurz überlege ich, diesen Zug zu nehmen. Laut Plan soll er schon weg sein, er steht aber dort. Ich mach einige Schritte in Richtung Zug, drehe aber entsetzt wieder ab als ich sehe, dass die Menschen da schon fast herausquellen.
Ich warte lieber.
Endlich kommt der Zug nach Koblenz mit ca. 30 Minuten Verspätung an. Stehen. Komme mit einem Paar ins Gespräch, die vom Allgäu nach Düsseldorf fahren. Seit Stunden unterwegs, aber gut gelaunt sind. Nettes Gespräch. Irgendwann wird sogar ein Sitzplatz frei. Ich setze mich hin und checke die App. „Sie werden den Anschlusszug voraussichtlich nicht erreichen“ Alternative. Ok.
Wir erreichen Koblenz.
Eigentlich will ich mich von dem Paar verabschieden aber ich verliere sie im Gedränge.
Die Alternative lässt mir Zeit, am Bahnsteig noch kurz eine Zigarette zu rauchen.
Ein gut gelaunter anderer Fahrgast bittet mich, ein Foto von ihm zu machen.
Endlich mal einer mit guter Laune.
Der zuerst einigermaßen leere Bahnsteig füllt sich zusehends. Ein Zug nach Köln naht. Er hält - wie auch die meisten anderen Züge an diesem Tag - nicht in dem Abschnitt in, dem er angekündigt war. Rennen ist angesagt. Menschen knubbeln sich an den Türen. Endlich, ich bin drin. Letzte Etappe, Zug nach Köln.
Ich stehe im Fahrradabteil. Festhalten? Fehlanzeige. Keine Schlaufe, keine Stange. Zu dritt halten wir uns an einem kleinen Griff am ersten Sitzplatz des Wagens fest. Mein Arm wird immer länger.
Eine lustige Gesellschaft. Zwei sich vorher fremde Kinder sitzen auf den Notsitzen und lernen sich über ein Handyspiel kennen. Die Mutter des einen hustet - ohne Maske. Ich versuche mich wegzudrehen, Mein Arm wird noch länger.
Im Bereich an den Türen steht eine Gruppe FC Fans, die singen lustige Lieder (mit Maske) während einer von ihnen auf dem Boden hockt und kotzt. Andere scheinen von einem Weinfest zu kommen und haben alle ein leeres Weinglas in der Hand. Warum auch immer.
Vor mir stehen vier Mountainbikes. Einer braucht in Bonn das Hinterste weil er aussteigen will, die anderen wollen aber nach Köln. Sie entwirren die Bikes und hieven sie übereinander, so dass der Bonner rauskommt. Wir Stehenden versuchen den Fahrrädern auszuweichen und unsere Arme werden noch länger.
Der Zug hält an jeder Ecke zwischen Bonn und Köln. Wusste gar nicht, dass es so viele Bahnhöfe gibt.
Endlich das erlösende Wort, von dem ich dachte, ich würde es nie hören. „Nächster Halt Köln Hauptbahnhof“.
Um 21.15 Uhr springe ich aus dem Zug.
Ich habe überlebt.
Spricht das jetzt gegen das 9-Euro-Ticket?
Nein, eigentlich nicht. Wenn es das immer gäbe, müsste man nicht an diesem Wochenende mit allen anderen losreisen, auf Teufel komm raus.
Dann ginge auch noch ein anderes Wochenende. Im Frühjahr, wenn es nicht so heiß ist vielleicht. Oder zu Nikolaus, um die Oma zu besuchen, oder so.
Macht es für 20 oder 30 Euro und ständig. Dann erledigt sich das von selbst. An sich ist es eine gute Idee.
Kennen Sie das auch? Durch all die Krisennachrichten,die auf Sie einprasseln sind Sie einen Moment lang unkonzentriert.
Es geht Ihnen so vieles durch den Kopf, die Corona-Situation, die steigenden Energiepreise und die Inflation,die auch die Preise für den täglichen Bedarf verdoppelt. Vielleicht haben Sie sogar Freunde in der Ukraine, um die Sie sich sorgen. Das Kind hat eine starke Erkältung und gestern hat zudem noch die Krankenkasse eine Erhöhung geschickt. All das läßt sich kaum aus Ihrem Kopf verbannen, es gibt einen Kurzschluss im Gehirn und - zack - falsches Köpfchen gedrückt.
Im Idealfall haben Sie nur eine zusätzliche Bestellung getätigt, eine, die Sie gar nicht haben wollten. Kann man ja innerhalb 14 Tagen wieder rückgängig machen.
Im schlimmsten Fall haben Sie gerade den Dominoeffekt ausgelöst, haben die Freigabe für einen Güterzug erteilt, obwohl auf dem Gleis schon einer stand und so die ganze Nation ins Chaos gestürzt. Kann man leider nicht mehr rückgängig machen.
Ich habe Ende August eine Kurzreportage über das letzte Wochenende des 9-Euro-Tickets gemacht und geglaubt, dieses Chaos sei nicht mehr zu toppen gewesen.
Falsch gedacht.
Letzten Freitag musste ich nach Berlin. Schon im Sommer hatte ich die Reise gebucht. ICE 857 Abfahrt 9:48 Uhr, Ankunft 14:14 Uhr. Kleiner Job in der Hauptstadt und eine Party am Samstag.
Auto? Nein, ist mir zu stressig. Verlass mich lieber auf die Bahn, ist auch umweltfreundlicher und im Zug kann ich auch arbeiten.
Am Abend vor der Abfahrt erhalte ich eine Nachricht der Bahn, dass mein Zug auf Grund eines Güterzugunfalls wahrscheinlich eine Umleitung fahren muss und somit 90 Minuten länger unterwegs sein wird.
Nun gut. Ich gehe morgens früher zum Bahnhof, um mich mit Brötchen und Kaffee einzudecken. Als ich die Bäckerei verlasse höre ich zufällig eine Ansage: „Der ICE 857 um 9:48 fällt leider aus, wir bitten um Entschuldigung. Alternativ können Sie den auf Gleis 4 abfahrbereiten Zug nach Berlin Ostbahnhof nehmen. Abfahrt 9:24.“
Blick auf die Uhr, 9:21, ich spurte los, schleppe mein Köfferchen auf Gleis 4 und springe in den Zug.
Den Zugbegleiter frage ich, was nun aus meinem Sitzplatz wird, ich will ja im Zug arbeiten. „Nehmen Sie irgendeinen Platz, der Zug startet hier, es ist noch alles frei und die Reservierungen gelten alle nicht, wir haben ganz andere Wagen als angekündigt. Die Reservierungskosten erhalten Sie später erstattet.“
Ich finde einen Platz in einem Abteil. Nun gut, denke ich mir, so sollte ich eine halbe Stunde früher in Berlin sein. Mein 857 wäre ja erst in einer halben Stunde gefahren.
Ich bin alleine im Abteil. Kaum sind wir eine Station gefahren kommt die Durchsage „Entschuldigen Sie bitte die Unannehmlichkeit, unser Bordbistro muss leider aus Personalmangel geschlossen bleiben, wir bitten um Verständnis.“
Gut, dass ich in der Bäckerei war.
In Hamm wird diesmal nicht die Lock gewechselt, wir begeben uns auf die Umleitung. Einspurige Strecke. Immer wieder müssen wir anhalten und warten, bis die Strecke frei ist. Ich rufe die Vermieterin meiner Unterkunft an und sage, dass ich wohl später kommen würde.
Sie verspricht mir, den Schlüssel in einem Imbiss zu deponieren.
Kurz vor Uelzen kommt die Nachricht, dass unerwarteter Weise irgendwo Personal zugestiegen ist und das Bordbistro jetzt für eine Stunde aufmachen würde.
Mein Kaffee ist längst alle und ich beschließe, mir einen neuen zu besorgen. Ich mache mich auf den Weg.
Als ich unterwegs bin kommt die Durchsage, dass wir
jetzt in Uelzen halten würden und zwar lange genug, um eine Zigarette zu rauchen. Viele, die wie ich auf dem Weg zum Bordbistro waren haben keine Zigaretten dabei.
Ein freundlicher Soldat verteilt Zigaretten, ich habe Feuer und einen Aschenbecher und wir steigen aus und genießen unsere Zigarettenpause.
Dann noch eine halbe Stunde anstehen, um den Kaffee zu bekommen.
Um kurz vor 5 erreichen wir Berlin. Ich nehme die U-Bahn zum Brandenburger Tor, steige dort in die S-Bahn nach Schöneberg und laufe dann zu meiner Unterkunft. Ich kaufe noch etwas fürs Frühstück ein und im Imbiss erhalte ich den Schlüssel. Um kurz vor 7 bin ich endlich im Appartement.
Berlin war schön, bis auf die Kälte und den Schnee.
Gemütliche Unterkunft, Party war nett, Job war gut.
Alles prima.
Einen Tag vor meiner Abreise aus Berlin checke ich die App der Bahn.
Perfekt. Der ICE 856 scheint planmäßig zu fahren, natürlich wieder mit der Umleitung um die Unfallstelle der Güterzüge bei Gifhorn. Das soll noch bis Mitte Dezember dauern, bis da aufgeräumt ist.
Abends noch mal ein kurzer Check, ich lese „Der Halt in Köln entfällt.“
Warum um alles in der Welt? Bis kurz vorher scheint er keine Probleme zu haben und die Unfallstelle hat er da doch längst umfahren. Eigenartig.
Zumindest wird mir eine Umsteigemöglichkeit in Hamm angeboten in einen Regionalexpress nach Köln.
Eine Stunde später steht da sogar, ich könne ab Hamm einen ICE nach Köln nehmen. Nun gut.
Am Morgen vor der Abfahrt checke ich erneut. Diesmal steht beim ICE 856 in großen roten Lettern: „Der Zug fällt aus“. Man bietet mir als Alternative den ICE 846 nach Düsseldorf an.
Seltsamerweise fährt der zur gleichen Zeit auf dem gleichen Gleis, aber halt nach Düsseldorf. Ursprünglich nach Mönchengladbach aber nun nur nach Düsseldorf.
Jetzt kenne ich ja die Strecke schon länger, ich weiß, normalerweise wird der Zug in Hamm getrennt. Die eine Hälfte fährt nach Mönchengladbach über Düsseldorf und die andere Hälfte nach Köln.
Vermutlich wissen das nur Raucher. Denn das Abkoppeln der Wagen dauert genau eine Zigarettenlänge, die man dann in Hamm auf dem Bahnsteig genießen kann.
Und all das kann jetzt nichts mit dem Güterzugunfall mehr zu tun haben. Aus purer Neugier rufe ich beim Bahnhof an.
Die Dame an der Hotline ist sehr nett. Und es ist ihr offensichtlich peinlich. Auf meine Frage, warum denn der ICE 856 ausfällt antwortet sie kleinlaut: „er ist uns kaputt gegangen, er muss in die Werkstatt.“
Und was wird aus der Raucherpause in Hamm?“ frage ich.
„Die entfällt dadurch leider“, antwortet sie, der Zug muss ja nicht getrennt werden. Sie können bis Düsseldorf durchfahren und müssen dort umsteigen. Aber reden SIe doch nicht von Zigaretten, ich hätte jetzt so gerne eine, aber ich darf hier nicht von dem Telefon weg.“ (ich muss grinsen.)
„Und wo sitze ich nun ?“ will ich wissen. Sie verbindet mich zu einem Kollegen, der mir erklärt, wie ich eine Ersatzreservierung machen kann, was ich auch tue.
4,50 Euro, die ich angeblich ersetzt bekomme. Ich erhalte keine Bestätigung, keine Angabe, wo nun mein Sitz ist.
Ich muss los zum Bahnhof.
Am Bahnsteig steht ein DB Angestellter. Ich erkläre ihm das Problem mit der Reservierung.
„Das macht nichts“, meint er, „sie können mit ihrer ursprünglichen Reservierung fahren, die Wagen sind gleich.“
(ist also doch ein und derselbe Zug, geht es mir durch den Kopf.)
Der Zug kommt und ich steige ein. Ich finde auch tatsächlich meinen Platz.
Zwischendurch immer wieder mal ein Blick auf die App: Aus dem Umsteigen in Düsseldorf wird wieder ein Umsteigen in Hamm, kurze Zeit später in Duisburg.
Ich frage die Zugbegleiterin. Die meint, dass der Zug eventuell nun doch noch bis Köln fahre.
Kurz vor Düsseldorf kommt die Ansage: „In wenigen Minuten erreichen wir Duisburg Hauptbahnhof.“
Jetzt wissen sie nicht mal mehr wo sie sind.
In Düsseldorf erscheint auf den Bildschirmen: „Der Zug endet hier. Vielen Dank, für Ihre Reise mit der Deutschen Bahn.“
Ich ziehe vorsichtshalber meine Jacke an.
Ein anderer Fahrgast fragt mich, was denn nun angesagt sei, Düsseldorf oder Köln?
In dem Moment kommt eine Durchsage: Der Zug fährt jetzt als ICE 2944 nach Köln weiter.“
Ich setze mich wieder hin, der Mann auch.
Um 22.25 erreichen wir Köln.
Ich gehe zum Infoschalter und will mir eine Bestätigung meiner Verspätung holen.
„Mit welchem Zug sind Sie denn gekommen?“ werde ich gefragt.
„Mit dem, der gerade auf Gleis 5 aus Düsseldorf angekommen ist.“ antwortet ich.
„Ach, der ICE 2944, aber der war doch pünktlich.“ sagt der Mann erstaunt.
Ich zeige ihm meine Tickets. Da begreift er, dass ich in einem Zug gesessen habe, der mehrmals seine Identität geändert hat. Er gibt mir ein Erstattungsformular.
Um 23 Uhr bin ich endlich zu Hause.
Update Weihnachten: Ich habe 50 % erstattet bekommen. ;)